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Mit dem Bau eines 23 Meter langen Fahrgastschiffs mit Yacht-Charakter für die Ostsee stellt sich die Kiebitzberg Schiffswerft Havelberg einer neuen Herausforderung. „Wir wollen zeigen, dass die Werft in der Lage ist, in dieser Größe zu liefern,“ sagte Andreas Lewerken bei der Kiellegung am 20. Januar 2005.

Die Kiellegung fand in feierlichem Rahmen mit zahlreichen Gästen in der großen Halle der Werft statt. Auftraggeber und Konstrukteur waren ebenso anwesend, wie Vertreter aus der Kommunalpolitik und verschiedener Subunternehmen. Auftraggeber ist die Reederei Belis aus der Gemeinde Timmendorfer Strand, die bereits zwei Fahrgastschiffe im Niendorfer Hafen betreibt, wo das neue Schiff ebenfalls einen Liegeplatz erhalten wird.

Claudia Belis begründete die Auswahl der Werft: „Für die ganz großen ist dieses Schiff zu klein, für die kleinen zu groß.“ Andreas Lewerken sieht darin eine Chance für die Zukunft der Werft: „Bisher haben wir in 13 bis 15 Meter-Größe gebaut. Größere Werften fangen ab etwa 30 Meter an. Wir wollen uns dazwischen platzieren.“ Vorteil der Kiebitzberg-Werft sei ohne Zweifel, dass die Schiffe komplett geliefert werden können, da der Möbelbau und damit Innenausbau einen Teil der Firma ausmacht. Positiv wirke sich das sowohl auf die Qualität als auch auf die Kosten aus.

Konstrukteur des Fahrgastschiffs ist Ingo Clausen. Die Konstruktion sei eine Synthese aus vier Punkten geworden, erläuterte er: 1. den Grenzen in bezug auf Abmessungen wegen des Hafenplatzes sowie finanziellen Grenzen, 2. wurde ein yachtähnliches Schiff gewünscht, 3. muss es seine Bestimmung sowie die Sicherheitsvorschriften erfüllen und 4. muss es wirtschaftlich gebaut und später auch betrieben werden.

Um die Fahreigenschaften des Schiffs zu optimieren, erfolgten Schleppversuche mit einem Modell. Entstanden ist der Entwurf für eine Yacht, deren Reichweite bei Marschfahrt 2.200 Seemeilen beträgt, „von England bis Nordamerika“, wie Clausen scherzhaft bemerkte.

Die Bauzeit für das Schiff soll etwa ein Jahr betragen. Der Stapellauf ist für Oktober geplant. Es werde ein Schiff „Made in Germany“ sein, betonte Andreas Lewerken. „Wir legen großen Wert darauf, dass auch die Subunternehmer aus der Region kommen.“

 

Bilder der Kiellegung

Mit diesem Auftrag neuer Dimension hat der Werft-Standort Havelberg weiter an Sicherheit gewonnen. Noch vor einigen Jahren sah das anders aus, wie Andreas Lewerken berichtet: „Die Werft gehörte früher zu den Deutschen Binnenwerften. Nach der Wende hatte sie zwei neue Besitzer. Jedes Mal ging das Unternehmen wieder kaputt.“ Im Gespräch mit Kommunalpolitikern hatte Lewerken damals gesagt: „Ihr könnt doch die Werft nicht untergehen lassen!“ „Dann mach du es doch“ kam es zurück. Und er und seine Frau wagten den Kauf – zunächst eigentlich, weil ihnen der Standort so gut gefiel und sie das Gelände anderweitig nutzen wollten.

„Ich komme aus der Holz-Branche“, erzählt Lewerken, der vor 22 Jahren aus Thüringen nach Havelberg kam. Mit Holzspielzeug für Galerien, den staatlichen Kunsthandel und andere Abnehmer hat er angefangen. Nach der Wende ging das nicht mehr. Er stieg um auf Möbelbau, investierte und baute 1995 neu im Gewerbegebiet Havelberg. Zwei Jahre später ging die Werft Pleite. „Wir haben uns das Objekt genau angesehen und mit der Treuhand verhandelt, an die es wieder zurückgegangen war. Von der Stadt Havelberg bekamen wir Unterstützung.“

Lewerken plante hier zunächst gar keinen Schiffsneubau, sondern ein reines Passivgeschäft – Innenausbau, Möbelbau, Lager. „Dann kamen Kunden und sagten: Mach doch mal.“ Gute Fachleute vom Vorgänger hatte er übernommen, so konnte er tatsächlich relativ zügig in den Schiffbau einsteigen. Eine Motoryacht war die erste Herausforderung, es folgten unter anderem ein Katamaran, eine Segelyacht, der Umbau eines Fahrgastschiffs. Zum Gesamtunternehmen zählen heute 40 Mitarbeiter. Das Auftragsspektrum ist breit. Neben Großaufträgen sowohl im Möbel- und Einrichtungsbau als auch im Schiffbau werden auch jederzeit Kleinaufträge angenommen, betont Lewerken.

Text und Bilder: Sigrun Tausche