Vom Holzspielzeug zum Katamaran
[Text und Fotos von: Oliver Schlicht]
Vom Holzspielzeug zum Katamaran ist es ein langer Weg. In Havelberg dauerte er etwa zwölf Jahre. Das Ehepaar Lewerken hat dort nicht nur ein mittelgroßes Firmen-Imperium aufgebaut, es hat auch die 300jährige Tradition Havelbergs als Stadt des Schiffbaus gerettet. Im April lief das erste Schiff vom Stapel.
Havelberg. Sie ist 15 Meter lang, bietet bis zu 20 Personen Platz und wird von einem 40-PS-Motor angetrieben. Die “Antonia”, ein Katamaran für Wasserwanderungen im Brandenburgischen, heißt wie die vierjährige Tochter des Schiffseigners Peter Twelkmeyer. Der Katamaran für die Marina- Lanke-Werft in Berlin-Spandau ging vor wenigen Tagen in Berlin auf Jungfernfahrt. Das Schiff wird vermietet. “Wir sind sehr zufrieden. Bis Ende Oktober ist die “Antonia” fast komplett ausgebucht”, freut sich Hannelore Funke-Neumann, Charterbeauftragte der Berliner Werft. Dieser Katamaran ist der erste schwimmende Sprössling eines Havelberger Paares, das von Hause aus mit Schiffbau eigentlich gar nichts zu tun hatte. Andreas und Renate Lewerken, der thüringische Tischler und die Havelberger Pastorentochter, hatten sich in den 80er Jahren auf einer Kirchenfeier kennen und lieben gelernt. “Wir suchten dann ein Bauerngehöft, wo ich eine Tischlerei für die Herstellung von therapeutisch-didaktischem Holzspielzeug und Holzschmuck eröffnen wollte. Da waren die Galerien in der DDR damals ganz scharf drauf”, erinnert sich Andreas Lewerken. Schon als Kind hat der Thüringer Holz-Schmuck für seine Mutter gebastelt. In Kuhlhausen, einem zehn Kilometer von Havelberg entfernten Dorf, wurde das junge Paar fündig. Ein Bauernhof wurde erworben auf einem Flurgrundstück mit dem schönen Namen Kiebitzberg
“Kiebitzberg” – drei Firmen, ein Name
Der Name sollte Programm werden. Denn “Kiebitzberg” heißt heute ein Firmenverbund aus drei Firmen – einer Möbelwerkstatt, einer Mineralwerkstoffproduktionsstrecke und der Schiffswerft, als jüngstes Mitglied. Denn mit Holzspielzeug war nach der Wende ebenso wenig ein Blumentopf zu gewinnen wie mit den Maschinen, die zwischen 1985 und der Wende für die neue Schreinerei in Kuhlhausen angeschafft wurden. Lewerken, der inzwischen eine Meisterausbildung absolviert hatte: “1989 kamen die letzten Maschinen, und dann war alles aus. Das war echt schlimm. Denn die Maschinen waren teilweise nach meinen Plänen in Thüringen extra angefertigt worden. Wir konnten viele Sachen einfach nur verschenken.”
Familie Lewerken nahm Abstand von den alten Plänen. Aus der Spielzeug-Schreinerei wurde eine Möbelwerkstatt. 1995 machte das Ehepaar dann einen gewaltigen Schritt und investierte in eine kleine Möbelfabrik, die im Gewerbegebiet Nord von Havelberg neu entstand. Spezialität war und ist die Einrichtung von Geldinstituten und Arztpraxen. Erweitert wurde diese Möbelproduktion dann durch eine Mineralwerkstoffverarbeitungsstrecke. “Hier fertigen wir Arbeitsplatten, Dusch- und Badewannen, aber auch jede Art von Sonderformen aus verschiedenen Kunststoffen”, so der Firmenchef.
Eigentlich sollte man meinen, dass diese beiden Standbeine in einer wirtschaftlich eher strukturschwachen Region wie der Altmark Aufgabe genug für ein Ehepaar sind, aber die eigentliche Herausforderung kam 1998 auf die Familie Lewerken zu – der Kauf der Werft von Havelberg. “Die Privatisierung dieser Werft lief nach der Wende nicht so besonders toll. Ein Holländer und dann ein Hamburger Inhaber meldeten Konkurs an”, erzählt Andreas Lewerken
Und als Havelbergs Bürgermeister Bern Poloski 1998 mit dem Möbelunternehmer über das idyllisch zu Füßen des Havelberger Domes gelegene Werftgrundstück ins Gespräch kam, konnte dieser nicht lange widerstehen: Familie Lewerken wurde auch noch Werftbesitzer. “Wir hatten anfangs vor, uns ausschließlich mit dem Innenausbau von Binnenschiffen zu beschäftigen. Doch dann wurde schnell mehr draus”, erzählt Lewerken. Zunächst habe man die alten, Schiffbauer zurückgeholt, weil auch Reparatur- und Ausbesserungsarbeiten angefragt wurden. Lewerken: “Und dann stellte sich irgendwann die Frage; warum wir nicht auch einen Neubau wagen sollten.
“Antonia” – ein besonderes Boot
Der Bau der “Antonia” ist so gesehen nicht nur für den Berliner Schiffseigner ein herausragendes Ereignis. Es ist auch für die Havelberger Schiffbautradition ein besonderes Boot, denn es trägt die Bau-Nummer 1 der Havelberger Werft, die jetzt auch den Namen “Kiebitzberg” trägt. Der Werftstandort Havelberg scheint damit wieder etwas gesicherter zu sein. Die Havelstadt blickt immerhin auf eine 300-jährige Schiffbautradition zurück. Sogar der russische Zar Peter I. soll in Havelberg als Schiffbauer die Axt geschwungen haben
Der Bau der “Antonia” ist so gesehen nicht nur für den Berliner Schiffseigner ein herausragendes Ereignis. Es ist auch für die Havelberger Schiffbautradition ein besonderes Boot, denn es trägt die Bau-Nummer 1 der Havelberger Werft, die jetzt auch den Namen “Kiebitzberg” trägt. Der Werftstandort Havelberg scheint damit wieder etwas gesicherter zu sein. Die Havelstadt blickt immerhin auf eine 300-jährige Schiffbautradition zurück. Sogar der russische Zar Peter I. soll in Havelberg als Schiffbauer die Axt geschwungen.